Der Druck ist zu groß

Druck. Druck kann ungeahnte Kräfte freisetzen und Berge versetzen. Druck kann aber auch zum Hemmschuh werden und im Kopf fast schon eine Blockade auslösen. Der Druck, der auf den Handballern der Mecklenburger Stiere lastet – immerhin gab die Vereinsführung zur Überraschung vieler den Aufstieg als Saisonziel aus – scheint negative Auswirkungen zu haben. Das hat das vergangene Wochenende, an dem der Drittligist binnen 24 Stunden gleich zweimal gefragt war, einmal mehr in dieser Saison gezeigt. Verspielten die Stiere am Sonnabend gegen Eintracht Hildesheim eine zwischenzeitliche 19:14-Führung und unterlagen am Ende mit 24:28, so sahen sich die Schweriner am Sonntag gegen den SC Magdeburg II zur Pause beim 13:21 bereits deutlich im Hintertreffen, um aber dann im zweiten Durchgang aufzuholen, sich nach einem zwischenzeitlichen 30:28 aber auch nur mit einem Punkt zu belohnen.
„Die Erkenntnis ist doch nicht, dass wir es nicht können. Die Erkenntnis ist, dass ein ungeheurer Druck auf der Mannschaft lastet. Es ist doch überhaupt nicht unser Anspruch, einen Punkt aus zwei Spielen mitzunehmen und dafür auch noch Glückwünsche entgegenzunehmen“, sagte Trainer Mannhard Bech nach der körperlichen und mentalen Schwerstarbeit am frühen Sonntagabend. Schon eine Woche zuvor gegen Oranienburg, als die Stiere eigentlich alles im Griff hatten, verspielten sie noch den Sieg. Gegen Hildesheim sah der Trainer ein ähnliches Bild: „Es kommt ein kleines Delta und alles ist in Angst und Schrecken. Wir führen gegen Hildesheim mit fünf und kriegen bei zwei, drei Gegentoren sofort bleierne Füße.“ So schrumpfte am Sonnabend binnen weniger Minuten der komfortable Vorsprung, Hildesheim glich aus, ging in Führung und nahm am Ende die zwei Punkte mit nach Niedersachsen.
„Wir wussten doch nach dem Hildesheim-Spiel, dass wir 8:10 Punkte haben – und dass wir jetzt gewinnen müssen. Wir müssen, wir müssen“, blickte Bech am Sonntag noch einmal auf den Sonnabend.
Viel geschlafen hatte der Trainer nicht – abschalten nach einem Spiel geht nicht so leicht. Das war auch bei vielen Spielern so. Die sahen die anstehende Magdeburg-Partie 22 Stunden später fast schon positiv, könnte man doch immerhin das Hildesheim-Spiel schnell vergessen machen.
Das hat allerdings überhaupt nicht geklappt. Magdeburg enteilte Tor um Tor, Schwerin leistete sich schlechte Würfe, technische Fehler und eine löchrige Deckung. Erst als zur Pause beim Stand von 13:21 Hopfen und Malz schon verloren schienen, spielten die Hausherren befreit auf. Getragen von lautstarken Anfeuerungsrufen der Fans kämpften sich die Stiere wieder heran. „Unsere Fans machen auch bei einem Sechs-Tore-Rückstand so viel Lärm, als ob wir kurz vorm Anschlusstreffer stehen. Das ist super. Dann führen wir 30:28 und packen plötzlich in der Deckung nicht mehr so zu wie zuvor“, befand Bech.
Am Ende behielt Magnus Aust vom Siebenmeter-Punkt die Nerven und traf Sekunden vor Schluss zum 32:32-Endstand. Gedanken schossen dem Rechtsaußen beim Strafwurf nicht durch den Kopf. Da spielte der Kopf mit. „So ist das. Gegen Hildesheim haue ich einen drüber, heute mache ich alle fünf Siebenmeter rein“, sagte Magnus Aust, ärgerte sich aber: „Es fühlt sich wie ein verlorener Punkt an. Wir haben so einen Aufschwung und dann musst du das eigentlich souverän über die Ziellinie bringen.“
Brachten die Stiere aber nicht. Und nachdem es im dritten Spiel in Folge nicht mit einem Sieg klappte, stellte sich die Mannschaft auf der abschließenden Pressekonferenz demonstrativ zu ihrem Trainer und teilte den verbliebenen Fans mit, dass sie selbstverständlich mit der aktuellen Situation überhaupt nicht zufrieden sei. Die Schweriner wissen, dass sie dem Druck nur gemeinsam als Einheit standhalten können.
Zeit zum Durchatmen bleibt den Stieren nach diesem Doppelspieltag kaum, geht es doch am Donnerstag, am Reformationstag, mit Spiel Nummer drei binnen sechs Tagen weiter. Dann empfängt der Liga-Siebte die HG Hamburg Barmbek. Am besten mit einem freien Kopf.
Hagen Bischoff (Schweriner Volkszeitung, 28. Oktober 2019)
Mecklenburger Stiere – Eintracht Hildesheim: Kominek, Heinemann – Grämke 1, Grolla 2, Kix, Weßeling 5/1, Reiter 2/2, Barten, Evangelidis, Zufelde 1, Aust 2, Williams 3, Papadopoulus 3, Herbst 5. Zuschauer: 1165.
Mecklenburger Stiere – SC Magdeburg II: Kominek, Heinemann – Grämke, Grolla, Weßeling 2, Reiter 1, Barten 1, Evangelidis, Zufelde 7, Klimt 1, Aust 10/5, Williams 3, Papadopoulus 4, Herbst 3. Zuschauer: 1216.